Armut – ein Frauenthema? Die Rolle des SGBII

Die vielfältigen Gesichter weiblicher Armut zeigten u.A. die im Jahr 1995 organisierte Weltfrauen-Konferenz und der im Oktober 2017 von der Nationalen Armutskonferenz veröffentlichte Bericht „Armutsrisiko Geschlecht“. Frauen arbeiten demnach deutlich häufiger in Teilzeit (1. Quartal 2021: 47, 9% vs. 10, 3%) und leisten deutlich mehr unbezahlte Sorgearbeit (Gender Care Gap im Jahr 2019: 52,4%). Sie sind wesentlich häufiger als Männer ausschließlich geringfügig beschäftigt (61% aller Minijober*innen), arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Branchen und beziehen auch bei gleicher Tätigkeit und Position deutlich geringere Gehälter als ihre männlichen Kollegen . Diese Faktoren führen u.A. dazu, dass Frauen im Alter im Durchschnitt ein um 49 Prozent niedrigeres Einkommen beziehen als Männer und folglich von Altersarmut besonders betroffen sind (Stand 2019).

Auch wenn das SGB II u.A. den Grundsatz des Gender Mainstreamings (§1 SGB II ) vorsieht, können einige Kritikpunkte in Bezug auf die Umsetzung der selbstgesetzten Zielsetzungenaufgezeigt werden: So stellt das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft und die damit verbundenen wechselseitigen Einstandspflichten letztlich eine Art „Zwangsvergemeinschaftung“ dar.

Aufgrund der strukturellen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt fallen erwerbslose Frauen weitaus häufiger aus dem Leistungsbezug und haben dann nur noch Anspruch auf Beratungs- und Vermittlungsansprüche im Rahmen des SGBIII. Während in einem bestimmten Einkommensbereich hierdurch das „Alleinernährermodell“ verstärkt wird, wird dessen Fortsetzung für den Fall, dass beide Partner*innen SGBII-Leistungen beziehen, faktisch verboten: Fällt eine Bedarfsgemeinschaft in den SGBII-Leistungsbezug, so werden auch Nichterwerbstätige, dies bisher weder arbeitslos gemeldet waren, noch auf andere Weise Arbeit suchten, dazu verpflichtet sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Auch die Frauen im Leistungsbezug offenstehenden Qualifizierungs- und Integrationsmaßnahmen lassen sich oft nur unzureichend mit deren i.d.R. größeren Verantwortlichkeiten bei Erziehung und Betreuung von Kindern vereinbaren. Besonders problematisch ist das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft in Trennungssituationen, bei denen die Ex-Partner*innen aufgrund der Wohnungsmarkstituation zunächst noch in der gemeinsamen Wohnung verbleiben müssen. So reichen getrenntes Schlafen und Essen reichen insoweit regelmäßig nicht aus, um denTatbestand des Auflösens einer Bedarfsgemeinschaft zu erfüllen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 04.11.1987 - 4 B 352/87 - juris). Leben die Betreffenden weiterhin zusammen, erfolgt eine „vertiefte Prüfung“ der tatsächlichen Trennung. Dabei wird z.B. überprüft, ob eine Trennung auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten erfolgt ist.

Auch die Tatsache, dass sich unter den Bezieher*innen von Elterngeld deutlich mehr Frauen* befinden, verschlechtert die Geschlechterbilanz von SGB II. Denn während nicht-erwerbstätige Personen, die vor Bezug des Elterngelds nicht gearbeitet haben, den Mindestbetrag von 300 Euro erhalten, wird dieser bei Leistungsbezieher*innen vollständig angerechnet. Obwohl das Elterngeld eigentlich als Mischform zwischen Lohnersatzleistung und Kompensation für Betreuungskosten angelegt ist und folglich eine einkommensanaloge Anrechnung erfolgen müsste, wird Leistungsbezieher*innen das Elterngeld faktisch komplett gestrichen.

Wenn Sie Fragen rund um diese Themen bzw. andere Schnittfelder von Frauenrechten und sozialen/wirtschaftlichen Rechten haben oder sich austauschen möchten, können Sie sich gerne an unser Frauen*zentrum wenden.

Sie erreichen uns am Freitag zwischen 9.00 und 12Uhr sowie zwischen 13.30h und 15.30h unter der Tel. 0421-53 28 89. Alternativ können Termine auch über die 0421-50 40 36 oder per E-Mail (frauenzentrum@solidarische-hilfe.de) vereinbart werden.

 

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